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Ausstellungsansicht Zwinger Galerie, Berlin, 2023 |
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Einige Bilder oder besser Bestandteile davon schrammen knapp an aktuellem Tagesgeschehen vorbei. Das ergibt sich aus verfestigter Hilflosigkeit, die von steter Überforderung gefüttert wird. Die muss eigentlich nicht sein, liegt aber überall herum, um dir und mir wie automatisiert in den Nacken zu springen. Es ist die Frage, wer oder was dabei Schaden nimmt und Kratzer davonträgt. Die Themen sicher nicht. Die Inhalte wissen oft nicht einmal, dass sie Thema sind. Es muss nur ein Wort wie Wetter im Bild auftauchen, eine Hand, die auf der Straße festgeklebt wurde, oder das Pressebild einer der ersten künstlich erzeugten Stammzellen. Das sind Bildmomente, die sich von selbst wegscrollen, aber hier mit analoger Machart eingefangen werden.
Einige Bilder erinnern an Seiten eines Bilderalbums. Panini- oder Fotoalben definieren sich über eine Vielzahl von Bildern oder den Ausschluss des einen gewichtigen Einzelbildes. Jetzt nur das Foto dieses halbsympathischen Onkels exklusiv auf eine einzelne Seite kleben? Besser nicht. Auftauchen neben anderen Verwandtschaften kann er schon. Hier sind die vier, fünf Bildlichkeiten in den Tableau-Bilder von unterschiedlichen Macharten geprägt.
Vielleicht schlafen die Bilder nebeneinander. Manche vegetieren auch eher, vielleicht unbehaglich wegen des einen Anrainers. Es ist eine beeinflusste Coexistenz, die unwillkürlich Assoziationen und Vergleichsmomente in Gang bringt, auf der Suche nach Verbindungen oder tiefer gelegten Gemeinsamkeiten, die es jedoch nicht gibt.
Repertoiremalerei, die ihre diversen Malweisen, Stile und Stofflichkeiten im Parallelslalom zum Schaulaufen schickt. Informelle Schwärme von suggestiv schwebenden Pinselstrichen. Fahrige Realomalerei mit Figuren und Protagonist*innen, als Gegenüber befinden diese sich in Situationen, die sich aber außerhalb des Bildes abspielen. Lasierend oder speckiges Pinselspurgeschlängel, etwa wie Nervenbahnen oder verwirrtes Pflanzengestängel. Öfters auch Pinsel oder Malende bei der Arbeit am und im Bild selbst. Vereinzelt akademische Körperstudien. Airbrush-Fotogramme mit 20er-Jahre Scanner-Anmutung …
Mikroexpressionen fordern Micro-Skills. Die Spurensicherung kann es gar nicht abwarten. Ein Interesse an etwas wie Stilkontrasten, die sich neben- und gegeneinander in einem Bild guttun oder gekonnt ärgern, spielt eine Rolle. Bestimmte Handbewegungen an bestimmten Arbeitsplätzen. Das Ob zu Gast beim Wie in möglichst unterschiedlicher Kostümierung. Früher erschien ein bestimmter Malduktus als historische Notwendigkeit. Ganze Lebensläufe ließen sich gern davon diktieren. Ein vermeintliches geleastes Ich als ein anderes Früher, das neu zu spät kommt.In welchen Stil lässt sich überzeugend noch schlüpfen oder welcher Stil treibt sich in vor mich her.
Durch eine verkästelte Platzierung der unterschiedlichen Bildanteile, alles wie ordentlich eingeparkt, es könnten auch noch Zäune wachsen, hält sich das mögliche Durcheinander in Grenzen. Ermöglicht die egalitäre Platzierung Bedeutungs-Washing? Von visueller Kakophonie ist man weit entfernt. Manche können vier Netflix-Serien gleichzeitig anschauen. Ansonsten ist der Split Screen ein alter Hut, dem die Köpfe ausgehen.
Ja, die gute alte Postmoderne. Alt bestimmt, aber war das gut und für was nochmal? Wer sich an zu viel Beliebigkeit, Indifferenz, jede Menge bestimmungsloser Gleichzeitigkeiten immer noch nicht erfreuen kann, weiß, das könnte hier angefangen gaben. Jedenfalls für ein mittelfristiges Kurzzeitgedächtnis. Ohne Postmoderne hätte ich nicht gemalt. Verjährte Dankbarkeit nochmal aufgekocht. Ist Postmoderne ohne Ironie nochmal anders möglich, auch wenn man dachte, das genau wäre eigentlich eines ihrer Lebenselixiere? Und wenn Distanz als künstlerische Eintrittskarte für ideologiebefreiten künstlerischen Zugriff funktioniert hat, wie hat sich das Tool „Distanz“ durch die gravierend veränderten Gesellschafts-Parameter der letzten Jahrzehnte verändert? Die ursprüngliche Postmoderne war durch freudig wahlloses Anything goes bis hin zum Eklektizismus auch ein erster produktiver Umgang mit dem heraufziehenden Bilder- und Inforauschen. Kunst als Trainingscamp für Überforderungskompetenzen, von früher fröhlicher Bildredundanz jetzt dann zu auszehrendem Bildstress.
Gunter Reski
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Verlustabzug, 2023, Öl und Sprühlack auf Papier kaschiert, 150 x 210 cm |

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Ohne Titel, 2023, Mixed Media / Baumwolle, 90 x 90 cm |
Some of the images, or rather parts of them, just miss out on current events. This is the result of entrenched helplessness, which is fed by constant excessive demands. It doesn't really have to be, but it's everywhere, automatically jumping out at you and me. The question is who or what is damaged and scratched in the process. Certainly not the topics. The content often doesn't even know it's a topic. All it takes is for a word like weather to appear in the picture, a hand stuck to the road or a press photo of one of the first artificially created stem cells. These are image moments that scroll away by themselves, but are captured here in an analog style.
Some images are reminiscent of the pages of a photo album. Panini or photo albums are defined by a multitude of images or the exclusion of one important single image. Stick just the photo of this semi-sympathetic uncle exclusively on a single page? Better not. He can appear alongside other relatives. Here, the four or five images in the tableau pictures are characterized by different styles.
Perhaps the pictures sleep next to each other. Some of them are vegetating, perhaps uncomfortably because of the one neighbor. It is an influenced coexistence that involuntarily triggers associations and moments of comparison, in search of connections or deeper commonalities that do not, however, exist.
Repertoire painting, which sends its diverse painting methods, styles and materials into a parallel slalom. Informal swarms of suggestively floating brushstrokes. Brisk realo painting with figures and protagonists, as counterparts in situations that take place outside the picture. Glazing or greasy brushstrokes, like nerve tracts or tangled plant stalks. Often brushes or painters at work on and in the picture itself. Occasional academic body studies. Airbrush photograms with a 20ies scanner look ...
Micro-expressions demand micro-skills. Forensics can't wait. An interest in something like stylistic contrasts that work well next to and against each other in a picture or skillfully annoy each other plays a role. Certain hand movements in certain workplaces. The whether as a guest at the how in as different costumes as possible. In the past, a certain painting style seemed to be a historical necessity. Entire CVs were willingly dictated by it. A supposedly leased self as another past that comes too late. Which style can still be convincingly slipped into or which style drives itself in front of me?The possible confusion is kept to a minimum by placing the different parts of the picture in a box, everything as if neatly parked, fences could also grow. Does the egalitarian placement enable meaning-washing? We are a long way from visual cacophony. Some people can watch four Netflix series at the same time. Otherwise, the split screen is an old hat that's running out of steam.
Yes, good old postmodernism. Old for sure, but was it good and for what again? Anyone who still can't enjoy too much arbitrariness, indifference and all kinds of indeterminate simultaneity knows that this could have started here. At least for a medium-term short-term memory. I wouldn't have painted without postmodernism. Timeworn gratitude boiled up again. Is postmodernism possible again without irony, even if you thought that was actually one of its elixirs of life? And if distance has functioned as an artistic entry ticket for ideology-free artistic access, how has the tool of "distance" changed as a result of the drastically altered social parameters of recent decades? The original postmodernism was also a first productive way of dealing with the emerging flood of images and information through joyfully indiscriminate anything goes and eclecticism. Art as a training camp for overtaxing skills, from formerly cheerful image redundancy now to draining image stress.
Gunter Reski |

Ausstellungsansicht Zwinger Galerie, Berlin, 2023
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Das Ob zu Gast beim Wie, 2023, Acryl / Baumwolle, 105 x 90 cm |
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Ohne Titel, 2023, Acryl / Baumwolle, 170 x 140 cm |
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Ausstellungsansicht Zwinger Galerie, Berlin, 2023 |
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Ohne Titel, 2023, Mixed Media auf Papier, 100 x 70 cm
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Wenn mein Wissen Wetter wäre, 2023, Öl / Leinwand, 215 x 150 cm |
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Traumscanner, 2023, Öl auf Kissen, 45 x 45 cm |
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Ohne Titel, 2023, Acryl / Baumwolle, 160 x 140 cm |
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Ausstellungsansicht Zwinger Galerie, Berlin, 2023 |
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Streckbetrieb, 2023, Acryl / Baumwolle, 170 x 140 cm |
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Touch ID, 2021, Öl / Baumwolle, 170 x 140 cm |
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Immerhin, 2023, Mixed Media auf Papier, 100 x 70 cm |
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Katalog
Trennungen bei Wörter und Menschen
Starship Verlag
ISBN 978-3-9817229-3-2 |
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